2014 jährt sich zum 200. Mal der Todestag des Erfinders und Reformers Sir Benjamin Thompson, der als Graf Rumford in die Geschichte Münchens eingegangen ist. Er war Abenteurer, politischer Hasardeur, Frauenheld, Sozialreformer, Erfinder und Naturwissenschaftler. Die Münchner verdanken ihm den Englischen Garten, die Briten die "Royal Institution" (ein bis heute bestehendes Wissenschaftskolleg), die Bayern die Kartoffel auf ihrem Speiseplan und der Rest der Menschheit theoretische Erkenntnisse über Thermodynamik, aus denen ganz praktische Anwendungen wie hellere Öllampen, bessere Herde und wärmere Öfen resultierten.
Diesen Jahrestag haben die beiden Künstlerinnen Alix Stadtbäumer und Yvonne Leinfelder zum Anlass genommen, vom 24. Mai bis 28. Juni 2014 ein Kunstprojekt im öffentlichen Raum Münchens zu initiieren. An verschiedenen Orten in der Stadt wird sich ein Netzwerk aus Künstlerinnen und Künstlern dem vielseitigem Werk Rumfords annähern und in ähnlicher Interdisziplinarität wie der Erfinder und Sozialreformer an seine verschiedenen Interessengebiete anknüpfen. Der Titel „Heat is a form of motion“ entstammt dem ersten Hauptsatz der Thermodynamik, für den Graf Rumfords Versuche zur Wärmelehre einen entschiedenen Beitrag leisteten und der als Motto des Projekts fungiert. Rumford entkräftete dabei die bisher gültige These, dass Wärme eine Art Flüssigkeit sei, die Objekte enthalten und die nach einiger Zeit der Freisetzung zur Neige gehe. Durch Versuche mit Bohrungen an Kanonen stellte Rumford jedoch fest, dass Wärme eine Form von Bewegung sei und damit unerschöpflich. Die Beziehung zwischen Wärme und Dynamik ist ein Thema das schwerpunktartig über dem Projekt liegt und bereits andere Künstler beschäftigte. Joseph Beuys beispielsweise setzte in seiner Theorie zur Sozialen Plastik die Wärme mit einer chaotischen Energie gleich. Eine ähnliche, unstrukturierte Dynamik kann man auch in Rumfords Schaffen erkennen, der sich als Laie ebenso in den Wissenschaften als auch in der Sozialpolitik profilierte und sich dabei gerade durch unkonventionelle Maßnahmen oder einer ehrgeizigen Macher-Attitüde durchsetzte. Auch Philosophen wie Guattari und Deleuze haben mit ihrem Rhizom-Begriff eine Analogie zu vielseitigen, nicht-hierarchischen Denkstrukturen geschaffen, die zu Rumfords Interdisziplinarität passen. Obwohl er nach einer Ausbildung zum Kurzwarenhändler eine Karriere im englischen Militär anstrebte, beschäftigte er sich schon früh aus eigener Neugier mit naturwissenschaftlichen Theorien und stellte eigene Versuchsanordnungen auf, die zu Veröffentlichungen in wissenschaftlichen Publikationen führten. Als er 1784 nach München kam, und mit der Reorganisation der bayerischen Armee beauftragt wurde, entwickelte sich daraus eine Folge von Innovationen und Reformen, die nicht nur die Soldaten betrafen, sondern auch zu einer weit greifenden Reform der Gesellschaft wurde. Ein großer Teil seiner Errungenschaften ist bis heute noch zu spüren – insbesondere die Schaffung von Soldatengärten hier in München, die eine Art Grundsteinlegung für den Englischen Garten bedeuteten und damit eines der wichtigsten Wahrzeichen Münchens initiierte.
Das Rumford-Labor wird zentrale Prinzipien und Erfindungen Rumfords anhand von Ausstellungen, Veranstaltungen, Workshops und Performances beleuchten, und dabei auch auf den Erfinder als private Person eingehen – die durchaus nicht unumstritten war. Ziel der Künstlerinnen Yvonne Leinfelder und Alix Stadtbäumer ist es, unkonventionelle Kooperationen von Menschen aus unterschiedlichsten Disziplinen mit unterschiedlichstem Können, Wissen und Talenten zusammen zu bringen und dadurch ganz im Sinne von Rumford eine eigene Dynamik zu kreieren.
Dana Weschke